Ich bin die Frau, die durch Valentin Moritz im Mai 2022 sexualisierte Gewalt erlebt hat. Ich bin die Frau, die seit Wochen eine nicht enden wollende emotionale Achterbahnfahrt durchlebt. Weil überall das Buch "Oh Boy. Männlichkeit*en heute.", erschienen Juli 2023 im kanon Verlag, gefeiert wird, das Valentin mit herausgibt – und in dem er in einem eigenen Text “Ein glücklicher Mensch” diesen Übergriff an mir thematisiert.
Ich schreibe hier nicht, weil ich Aufmerksamkeit brauche. Ich schreibe hier auch nicht, weil ich ihm drohen möchte. Ich schreibe hier, weil ich darin die einzige Möglichkeit sehe, wieder Kontrolle zu erlangen. Über mein Leben und diesen Moment in meinem Leben, den Valentin Moritz nun seit Wochen nutzt, um sich medial zu profilieren – wohlwissend, dass ich dem widersprochen habe. Mehrfach.
Denn nach dem sexualisierten Übergriff im Mai 2022 hat es im August 2022 ein Gespräch zwischen Valentin und mir, in Anwesenheit einer mir vertrauten Person, auf einer Wiese in Berlin gegeben. Das Gespräch sollte ursprünglich dazu dienen, sowohl meine durchlebten und fortwährenden Emotionen und Auswirkungen als auch meine Forderungen an ihn zu adressieren. Doch es dominierte die Frage seitens Valentin, wie er weiterhin Teil des Buchprojekts zum Thema Männlichkeit im Hier und Jetzt bleiben könne.
Schon damals sagte er, er möchte: über seine Täterschaft schreiben. Ich habe dem widersprochen. Es gab ein klar formuliertes, schriftliches Nein von mir an Valentin: "Ich möchte ganz klar nicht, dass du den Übergriff, egal wie anonymisiert auch immer, benutzt. Generell finde ich es verkehrt, dass du Teil des Buchprojektes bleibst." Dass nun ein Jahr später in jeder gut sortierten Buchhandlung Valentins Buch steht, zeigt, dass es Valentin keineswegs darum geht, sich kritisch mit seiner Täterschaft auseinanderzusetzen, geschweige denn, in Verantwortung zu gehen wie er immer wieder behauptet. Wäre das der Fall gewesen, hätte er diesen Text nie geschrieben und mich davor bewahrt, all das zu durchleben. Wäre das der Fall gewesen, hätte er sein Bedürfnis nicht wiederholt über meines gestellt.
Da es aber wohl um Prestige, Profilierung und seine eigene Karriere ging, hat er diesen Text geschrieben, der zwar so weit anonymisiert sein mag, dass andere mich nicht erkennen. Aber ich erkenne mich darin wieder und das heißt, ich durchlebe immer wieder diesen Abend, an dem für Valentin ein Nein kein Nein war. Dass Valentin diesen simplen Grundsatz von menschlicher Interaktion nach wie vor nicht verstanden hat und sich auch nicht, wie er mehrfach behauptet, mit rape culture auseinandersetzt und Männer sensibilisiert, zeigt sich auch im Text selbst.
Mal schreibt er davon, "er hätte ahnen können", dass ich nicht möchte, was er tut. In Wirklichkeit habe ich nicht nur kein Ja gegeben, sondern auch versucht, mich zu befreien – erfolglos. Mal ordnet Valentin fragend seine Tat ein als irgendetwas zwischen “harmlos wie ein unbeholfener Spruch im Hausflur – oder eben, im Gegenteil, bedrohlich wie eine brutale Vergewaltigung mit Vorsatz", als gebe es Vergewaltigungen ohne Brutalität und ohne Vorsatz. Und ob ein sexistischer Spruch für die betroffene Person harmlos oder eben doch verletzend, beängstigend oder entwürdigend ist, liegt immer noch bei der Person selbst. Hier den Täter zum Opfer, da als unbeholfen beschrieben, zu machen, spricht für sich. An einer anderen Stelle im Text stellt er sogar an sich den Anspruch, im Sinne der Betroffenen zu handeln: "Hätte ich sie gefragt, hätte sie Nein sagen können, und ich hätte ihre Antwort akzeptiert."
Es sind alles in allem viele Zeilen, die sich wie ein einziger Hohn gegenüber mir und anderen Betroffenen lesen. Erst recht wenn Valentin und Verlag behaupten, in seinem Text spreche nur ein lyrisches Ich, obwohl mehrfach in der medialen Besprechung und auch in persönlicher Kommunikation mit mir klar wurde und wird, dass hier Valentin selbst in seinem Text spricht. Valentin schreibt im Text beispielsweise, dass "ich (Valentin) meine Handlung zwar bennen, zum Schutz von Persönlichkeitsrechten aber nicht in einen Kontext stellen kann". Erst recht wenn Valentin das Thematisieren seiner Tat und das Suchen nach Worten im Text beschreibt als das Gefühl, "in einer Zwickmühle zu stecken, umgeben von einem riesigen Minenfeld."
Abgesehen davon, dass mit dem Wort “Minenfeld” eine Diskurs- und Problemverschiebung hin zu Betroffenen und Flinta stattfindet, hätte er sich selbst vor diesem Minenfeld und meiner Reaktion bewahren können. Ich habe ein ganz klares Nein dazu ausgesprochen, diesen Abend, diese Tat literarisch zu verarbeiten. Wenn er dieses Nein akzeptiert hätte, hätte dies natürlich die Tat nicht ungeschehen gemacht. Aber ich wäre heute ein bisschen mehr das, wovon sein Text vorgibt zu handeln. Ein glücklicher Mensch.
–> Ich möchte darauf hinweisen, dass es mir dezidiert um den Text von Valentin Moritz geht und nicht um weitere Texte in der Anthologie.